Führen heißt: Verantwortung teilen

Die Willy-Brandt-Schule in Berlin-Wedding ist für viele Jugendliche weit mehr als ein Lernort – sie ist ein Ort der Chancen. Seit 2015 leitet Andrea Franke die Integrierte Sekundarschule. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Deutschen Lehrkräftepreis in der Kategorie „Vorbildliche Schulleitung“ ausgezeichnet.
Doch Andrea Franke sieht den Preis nicht als persönliche Auszeichnung, sondern als Anerkennung für ihr Team:
Der Preis gehört meinem Kollegium, nicht mir allein. Dass mein Team mir auf diese Weise etwas zurückgegeben hat, hat mich sehr berührt.
Persönliche Geschichte als Antrieb
Franke kennt Schule aus verschiedenen Perspektiven. Sie wuchs in einem bildungsfernen Elternhaus auf und wäre in der achten Klasse beinahe sitzen geblieben. Diese Erfahrung prägt sie bis heute:
Schule war für mich nie ein entspannter Ort, sondern eher mit unangenehmen Situationen verbunden.
Diese Erfahrungen sind der Grund, warum sie heute niemanden zurücklassen möchte. Ihr wichtigstes Anliegen beschreibt sie so:
Kein Kind zu verlieren, keins aus unseren pädagogischen Händen zu lassen.
Unter ihrer Leitung schlug die einst ungeliebte Schule im sozialen Brennpunkt neue Wege ein: Absentismus konnte deutlich reduziert, Willkommensklassen eingerichtet und eine wirksame Berufsorientierung etabliert werden. Ihr Credo: Jede Schüler:in braucht eine Anschlussperspektive.

Probleme gemeinsam lösen
Andrea Franke versteht Führung als gemeinschaftliche Aufgabe. Die Schule hat mittlere Führungsebenen geschaffen und die Schulleiterin überträgt Verantwortung:
Diese Kolleginnen und Kollegen haben Kompetenzen und Verantwortung entwickelt, können Entscheidungen treffen – und nicht alles muss über meinen Schreibtisch gehen. Nur wenn etwas nicht lösbar ist, kommen sie zu mir. Und dann ist es egal, ob es schon ein Drama ist oder nicht – wir lösen das Problem dann gemeinsam.
Doch Führung heißt für sie mehr als Organisation – sie bedeutet auch Fürsorge. Gute Arbeitsbedingungen, Vertrauen und ein respektvoller Umgang im Kollegium sind für sie Grundlagen guter Schule. Diese Wertschätzung drückt sich beispielsweise in der Arbeitsumgebung aus – durch eine Lehrerlounge mit gemütlichen Sofas, einer guten Kaffeemaschine und technisch gut ausgestatteten Arbeitszimmern für die Lehrkräfte.
Positive Verbindungen zur Schule aufbauen
Dasselbe Prinzip der Wertschätzung prägt auch den Umgang mit den Schülerinnen und Schülern: Bevor ein neuer Jahrgang beginnt, führt Andrea Franke mit ihnen und ihren Eltern persönliche Gespräche.
Bevor die Schülerinnen und Schüler überhaupt bei uns auf dem Stuhl im Klassenraum sitzen, versuchen wir, so viele positive Verbindungen wie möglich zur Schule aufzubauen.
So entsteht von Anfang an eine Kultur der Offenheit und des Miteinanders.
Dann machen wir ein großes Fest – noch vor den Sommerferien – nur für die zukünftigen Siebtklässler. Sie lernen dabei schon ihre Klassenlehrer:innen kennen. Und dann geht es direkt am Anfang des Schuljahres auf Kennenlernfahrt.

Andrea Franke steht aber auch für konsequentes Handeln, etwa bei Versäumnisanzeigen.
Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig das ist – und wie sehr ich Grundschulen ermutigen möchte, konsequent zu handeln. Wenn ein Kind fünfmal unentschuldigt fehlt, muss ich mir Gedanken machen.
Ratgeberin und Mutmacherin
Die Auszeichnung hat ihre Arbeit weit über Berlin hinaus sichtbar gemacht. Seitdem wird sie oft um Rat gebeten. Sie teilt ihre Erfahrungen pragmatisch – auch über Instagram, wo sie Einblicke in den Alltag gibt und Mut macht:
Es ist mir wichtig zu zeigen: Guter Unterricht ist möglich – auch unter schwierigen Bedingungen.
Gerade Schulleitung sollte nicht in den Mittelpunkt drängen, sondern die Fäden im Hintergrund zusammenführen: Mit unterschiedlichen Professionen zusammenarbeiten, aber sich selbst zurücknehmen. Dinge lenken, Potenziale erkennen, Ressourcen aktivieren, Strukturen schaffen.
Die positiven Erfahrungen mit ihrem Team bestärken sie darin, alle Beteiligten in der Schule mitzunehmen.
Es braucht Transparenz und Menschlichkeit. Dennoch muss man auch unbeliebte Themen angehen, offen sein und alles im Blick behalten. Auch ist es von Vorteil, Netzwerke zu knüpfen, Kooperationen einzugehen und sich dem Kiez zu öffnen, in dem man seine Schule hat.
„Sie stehen für das, was Schule stark macht.“
Andrea Franke verkörpert eine Haltung, die Schule nachhaltig prägt: Kein Kind zurücklassen, Vertrauen ins Team, Menschlichkeit als Fundament.
Oder, wie es Alexandra Heraeus in ihrer Laudatio beim Deutschen Lehrkräftepreis sagte:

Liebe Frau Franke, Sie stehen für das, was Schule stark macht: eine klare Vision, entschlossenes Handeln und die tiefe Überzeugung daran, dass Bildung Leben verändern kann.
Lesen Sie das ausführliche Interview mit Andrea Franke auf news4teachers.