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„Die Teilnehmenden sind die Expert:innen für ihre eigene schulische Wirklichkeit“

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Mandy Geisler leitet die Programmentwicklung bei der Heraeus Bildungsstiftung. Zum Start des neuen Seminarjahres blickt sie auf die Führungsrolle von Lehrkräften und die Philosophie, die das Fortbildungsprogramm der Stiftung auszeichnet.  

In den ersten Wochen dieses Jahres sind wieder zahlreiche Seminarreihen an den Start gegangen. Wie unterscheiden sich diese Angebote von anderen Fortbildungen für Lehrkräfte?  

Unsere Angebote unterscheiden sich thematisch von klassischen Fortbildungen für Lehrkräfte, die sich auf die Planung des Unterrichts oder bestimmte Fachinhalte konzentrieren. Wir fokussieren uns schwerpunktmäßig auf Führung. Fragen wie man eine Führungsrolle in Schule annimmt und ausfüllt stehen im Mittelpunkt und erfreuen sich großer Beliebtheit. 

Gibt es weitere Fokusthemen?  

Neben Führungskompetenzen nehmen wir die Themen Haltung und Persönlichkeitsentwicklung im Kontext von Pädagogik in den Blick. Dabei geht es beispielweise weniger um die Frage, wie konkret man einen einzelnen Schüler oder eine Schülerin wieder einfangen kann, sondern eher: Mit welcher Haltung kann ich positiven Einfluss im Unterricht und im Kollegium nehmen? 

Wie wird der Fokus auf Führung von Lehrkräften wahrgenommen?   

Die Resonanz ist insgesamt positiv, denn es ist klar, dass Lehrkräfte ebenfalls Führungskräfte sind. Es gibt jedoch auch Lehrkräfte, die sich in erster Linie als Pädagog:innen sehen und auf Augenhöhe mit ihren Schüler:innen agieren wollen. Ihnen geht es weniger darum, die Führung zu übernehmen.   

Wie reagiert ihr auf diese Vorbehalte?  

Wir möchten durch unsere Seminare transportieren, dass moderne Führung nichts mit alten, hierarchischen Strukturen und Rollen zu tun haben muss.   

Von Teilnehmenden hören wir oft, dass sie dann in eine Führungsrolle gehen, wenn es die Situation erfordert, beispielsweise wenn es zu größeren Unterrichtsstörungen kommt. In unseren klassischen Classroom-Management-Seminaren bieten wir hierfür insbesondere Methoden, um mit Ritualen und klaren Ansagen einen guten Umgang mit den Schüler:innen zu gestalten. Dieses Seminarangebot wird bereits seit Jahren sehr gut angenommen. 

Methoden allein reichen aber nicht aus, denn jeder muss den Begriff Führung für sich selbst definieren, jeder benötigt eine Menge Selbstreflexion, um überhaupt eine Führungsrolle zu übernehmen. Dies war ein guter Anlass für uns, das Classroom Management um eine bedeutsame Perspektive zu erweitern und weiterzuentwickeln, nämlich mit Erkenntnissen und Impulsen aus der Positiven Psychologie. Es darf nicht nur rein methodisch mit Routinen und Ritualen erfolgen.  

Worin liegt der Unterschied?  

Die Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie unterstützen dabei, eine positive Verbindung miteinander zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. 

Es geht nicht nur darum, die Beziehung der Lehrkraft zu den Schüler:innen zu gestalten, sondern eine positive Atmosphäre in der gesamten Klasse zu schaffen. Durch die Positive Psychologie und das PERMA-Modell unterstützen wir die Klassenführung. Wir sehen die Beziehung zwischen allen im Klassenraum und in der Schule als Grundlage für erfolgreiche Bildung. Alle haben gemeinsam die Verantwortung dafür, dass alle zusammen in der Klasse lernen und wachsen können. 

„Führung benötigt Selbstreflexion“ – was ist damit gemeint?  

Die Seminare der Stiftung sind darauf ausgerichtet, Professionalisierung zu fördern. Es geht nicht nur darum, Inhalte zu vermitteln. Vielmehr sollen die Teilnehmenden ihre Sichtweisen verändern können. Hierfür sind Selbstreflexion und der Blick auf den eigenen Entwicklungsprozess unerlässlich. Gute Impulse sind zudem notwendig, um bestehende Denkmuster zu stören und neue Perspektiven zu ermöglichen. 

Dieses Jahr starten auch neu konzipierte Seminarreihen. Wie entstehen neue Inhalte?  

Wir hören unseren Teilnehmer:innen aufmerksam zu, welche Herausforderungen sich ihnen stellen. Und unsere Trainer:innen bringen ebenfalls viele Kompetenzen und Erfahrungen aus der Praxis ein. Positive Psychologie und das PERMA-Modell haben wir so kennen und schätzen gelernt. 

Bleiben wir bei den Trainer:innen. Was zeichnet sie aus?  

Unsere Trainerinnen und Trainer sind dafür bekannt, auch außerhalb der Schule zu arbeiten, etwa als Psycholog:innen oder Organisationsentwickler:innen. Das ermöglicht ihnen, über den Tellerrand hinauszudenken und Impulse zu geben, die nicht allein auf den schulischen Kontext fokussiert sind. 

Wie reagieren die Teilnehmenden auf diese Vielfalt im Trainerteam?  

Viele schätzen die neuen Impulse, während andere sich manchmal auf ihren Fachunterricht beziehen und sich fragen, wie sie die Inhalte in ihre konkrete Arbeit integrieren können. In der Regel zieht die Stiftung aber Menschen an, die sehr gerne über ihren Tellerrand blicken, über Weiterentwicklung schulischer Bildung nachdenken und hier nach Gleichgesinnten suchen. 

Die Seminarreihen finden jetzt häufiger als Blended-Learning-Formate statt. Warum?  

Nach der Corona-Zeit spüren wir, dass der Wunsch nach Austausch und Vernetzung enorm groß ist. Das erfordert ein gewisses Setting, ganz besonders wichtig ist eine vertrauensvolle Arbeitsumgebung. Und das gelingt am besten in Präsenzveranstaltungen. Daher haben wir umgestellt und beginnen fast immer mit Präsenzveranstaltungen. Die Teilnehmenden sollen sich kennenlernen, Vertrauen schaffen, und die Trainer:innen investieren viel, damit das gelingt.   

Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass Fortbildungen nachhaltig sind. Laut der Forschungsliteratur ist eine Dauer von ca. einem halben Jahr empfehlenswert, wenn es um die Nachhaltigkeit von Fortbildungen geht. In den professionellen Lerngemeinschaften entsteht so eine gute Verbindung zwischen den Teilnehmer:innen und sie werden durch gezielte inhaltliche Impulse, Zeit zur Erprobung und immer wieder Austausch und Selbstreflexion unterstützt, die neuen Erkenntnisse mit ihren eigenen Praxiserfahrungen konstruktiv zu verknüpfen.  

Deshalb setzen wir auf eine Mischung von Präsenz- und Onlineformaten, die über einen längeren Zeitraum gehen. 

Wie gelingt die Kommunikation mit den Teilnehmenden?  

Das ist nicht nur eine Frage der Formate. Zentral ist die Frage, wie wir miteinander kommunizieren. Es gehört zur DNA der Stiftung, dass wir die Teilnehmenden immer als Expert:innen für ihre eigene schulische Wirklichkeit wahrnehmen. Wir sind immer offen dafür, diese schulische Realität wirklich in die Seminare einzubeziehen.